Zur Widerrufbarkeit eines Handyvertrages mit subventioniertem Handykauf

AG Dortmund, Urteil vom 13.10.2010 – 417 C 3787/10

Die Widerrufbarkeit des gesamten Mobilfunkvertrages, genauer, der auf ihren Abschluss gerichteten Willenserklärung, wie auch jener auf Abschluss der Kaufverträge als verbundenes Geschäft folgt aus der Unteilbarkeit des Mobilvertrages in Finanzierungs- und Dienstleistungsmomente. Denn bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung der Provision für den Mobiltelefonanbieter hat diese auch den Zweck, die Anschaffungskosten für das Mobiltelefon zu finanzieren. Von daher bewirkt die Verbilligung des Mobiltelefons damit eine Provisionszahlung, so dass der Kunde über eine Kaufkraft verfügt, die er später durch Zahlung der Mobilfunkgebühren nachträglich wieder verliert, weshalb die Finanzierungsfunktion gem. § 499 Abs. 1 BGB gegeben ist (Rn. 14).

Beide Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit, weshalb eine Verbundenheit zwischen ihnen gegeben ist, § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB, so dass mit Widerruf bezogen auf den Telekommunikationsvertrag auch der Kaufvertrag sich auflöst (Rn. 15).

Tenor

1.

Es wird festgestellt,

dass die Klägerin an ihre auf Abschluss eines Vertrages über die Mobilfunkgeräte

a) Samsung …

Serien-Nr.: …

b) LG …

Serien-Nr.: …

c) den Telekommunikationsdienstleistungsvertrag …

d) den weiteren Vertrag wie vor …

gerichtete Willenserklärung nicht mehr gebunden ist.

2.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar bei einer Abwendungsbefugnis in Höhe 110% der zu vollstreckenden Beträge.

4.

Die Berufung wird zur Rechtsfortbildung zugelassen.


Tatbestand

1

Die Klägerin erwarb zum Barverkauf Nr. 40322264 bei der Beklagten zwei Mobilfunkgeräte, wie Buchstabe a) und b) des Tenors zum Preis von je 1,00 Euro unter gleichzeitigem Abschluss von Telekommunikationsdienstleistungsverträgen wie zu Buchstabe c) und d) des Tenors, weshalb auf die Rechnung der Klägerin vom gleichen Tage zu Nr. 40322264 verwiesen wird und nahm die Handys mit, um sich in den folgenden Stunden anders zu entscheiden und am nächsten Tag zur Ladenöffnung wiederum die Lokalität der Beklagten aufzusuchen und erklärte dort, dass sie von den abgeschlossenen Verträgen zurücktreten wolle. Die Beklagte ließ darauf verweisen, dass man in ihrem Hause mit den Verträgen nichts zu tun habe und sie sich von daher an den Betreiber/Provider wenden solle. Auch dieses tat die Klägerin mit Erklärung vom 12.11.2009 gegenüber der … AG.

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Zeitgleich ließ sie der … die gekauften Mobilfunkgeräte zugehen, welche sie sodann Mitte März 2010 wieder an die Klägerin zurückschickte.

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Unter dem 17.03.2010 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin gegenüber der Beklagten wie auch … den Widerruf.

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Die Parteien streiten vorliegend um die Frage, ob es sich um ein Rechtsverhältnis handelt, welches gem. §§ 499, 355, 358 BGB zu beurteilen ist, weshalb sich der Klägervertreter die Darstellungen von Limbach in ZGS 2009, 206 ff. zu eigen macht mit dem Antrag,

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wie erkannt.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie verneint die Passivlegitimation, da sie nicht Partner der Mobilfunkverträge sei. Ein Widerruf der abgeschlossenen Mobilfunkverträge sei nicht möglich, da es sich nicht um eine sonstige entgeltliche Finanzierungshilfe gem. § 499 Abs. 1 handele. Dieser Vertrag ermögliche es nicht der Klägerin, das Entgelt für den Erwerb von Sachen leichter oder früher aufzubringen. Eine Finanzierungsfunktion sei nicht Bestandteil jener Vertragstype. Weiter fehle es an der Entgeltlichkeit der Finanzierungshilfe, da weder Zinsen berechnet werden noch anderweitige Kosten für diese Verträge über die Verbindungspreise hinaus anfielen.

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Wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend verwiesen.


Entscheidungsgründe

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Die am Geschäftssitz der Beklagten zulässig erhobene Feststellungsklage, § 256 BGB, ist sachlich begründet, §§ 499 Abs. 1, 506 n.F., 355, 357 Abs. 1 Satz 1, 358 BGB.

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Das Gericht ist mit Limbach, ZGS 2009, Seite 207, vorliegend Blatt 16 ff. der Akten, der Auffassung, dass eine Finanzierungshilfe definiert ist als zeitweilige Überlassung von Kaufkraft an den Verbraucher in einer nicht als Darlehen oder Zahlungsaufschub zu qualifizierenden Form zur vorgezogenen Verwendung künftigen Einkommens für konsumtive oder investive Zwecke. Die Klägerin musste nämlich den regulären Kaufpreis für das Handy nicht bezahlen, so das Gericht als unstreitig davon ausgeht, dass zum Preise von 1,00 Euro regulär kein Handy erworben werden kann. Dagegen spricht bereits das eigene werbliche Verhalten der Beklagten, weshalb auf die Anlage zum Protokoll verwiesen wird, wonach sich frei verfügbare Handys zu einem Kaufpreis von mindestens 49,00 Euro darstellen.

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Von daher konnte die Klägerin die zunächst unangetastet gebliebene Kaufkraft, die sie sonst hätte aufwenden müssen, anderweitige einsetzen. Ähnlich verläuft die weitere Konstruktion der Beklagten, welche ein Handy teurer Art bei gleichzeitigem Abschluss eines Dienstleistungsvertrages für 25,00 Euro monatlich mit einer Gutschein-Card von 300,00 Euro und bei 35,00 Euro monatlich sogar mit einem Gutschein über 400,00 Euro honoriert. Von daher kann es keinem Zweifel unterliegen, dass in wirtschaftlicher Hinsicht die in der Laufzeit des Mobilfunkvertrages vorgesehenen Nutzungsgebühren den entsprechenden, sicherlich auch dem Gericht nicht mitgeteilten Kaufpreisanteil decken, um die Vorfinanzierung des Endgerätes wieder auszugleichen. Von daher wird dem Kunden zunächst gewährte Kaufkraft nachträglich wieder entzogen.

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Gem. § 499 Abs. 1 BGB ist eine Entgeltlichkeit der Finanzierungshilfe auch deshalb gegeben, weil der Provider die Kosten seines vorzeitigen Kapitalabflusses durch Finanzierung des Restkaufpreises regelmäßig in seiner Gebührenkalkulation berücksichtigt. Die Verbrauchereigenschaft der Klägerin ist unstreitig wie auch das Übersteigen der Bagatellgrenze von 200,00 Euro nach Maßgabe der einvernehmlichen Wertfestsetzung von je 300,00 Euro je Vertrag. Von daher konnte die Klägerin gem. § 495 Abs. 1 BGB ihre Erklärungen widerrufen, wobei der erklärte Widerruf am Folgetag wie auch am 12.11.2009 gegenüber dem Provider sicherlich fristgemäß war, im Übrigen mangels Belehrung auch der Widerruf vom 17.03.2010.

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Die Widerrufbarkeit des gesamten Mobilfunkvertrages, genauer, der auf ihren Abschluss gerichteten Willenserklärung, wie auch jener auf Abschluss der Kaufverträge als verbundenes Geschäft folgt aus der Unteilbarkeit des Mobilvertrages in Finanzierungs- und Dienstleistungsmomente. Denn bei funktionaler und wirtschaftlicher Betrachtung der Provision für die Beklagte hatte diese auch den Zweck, die Anschaffungskosten für das Mobiltelefon zu finanzieren, zumal die Beklagte überhaupt nicht darlegt, wie hoch; diese Anschaffungskosten für sie eigentlich sind. Erst von daher bewirkt die Verbilligung des Mobiltelefons damit eine Provisionszahlung, so dass der Kunde über eine Kaufkraft verfügt, die er später durch Zahlung der Mobilfunkgebühren nachträglich wieder verliert, weshalb die Finanzierungsfunktion gem. § 499 Abs. 1 BGB gegeben ist.

15

Beide Verträge bilden eine wirtschaftliche Einheit, weshalb eine Verbundenheit zwischen ihnen gegeben ist, § 358 Abs. 3 Satz 2 BGB, so dass mit Widerruf bezogen auf den Telekommunikationsvertrag auch der Kaufvertrag sich auflöst.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung wird zur Rechtsfortbildung wie auch zur Herbeiführung der Rechtseinheit zugelassen.

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